Kinder

14.Jänner 2020

Ich bin Mama von vier Kindern und während beim vierten Kind vieles läuft ohne groß darüber nachzudenken, regt das Zusammenleben mit einem Zehnjährigen immer wieder zum Reflektieren an.
Aktuell geht er in die vierte Klasse Volksschule.
Er ist ein wissbegieriges und sportliches Kind, sozial kompetent und irre gscheit.
Von uns Eltern bekommt er stets zu hören, dass er so, wie er ist, wunderbar ist.

Er ist ein Träumer.
Ein Langsamesser und jemand, der kein Talent hat für Multitasking.
Im Alltag gibt das oft Anlass zu Ermahnungen, bzw. dazu ihn anzutreiben.
Leider, denn eigentlich ist es ja eh schön, wenn sich jemand Zeit für eine Sache nimmt und dann ganz bei der verweilt.
Wenn allerdings der Bus erwischt werden will oder aber er schon ewig bei seiner Hausübung sitzt, dann greife ich ein und treib ihn an.
Schließlich will er ja noch was von seinem freien Nachmittag haben. :-)
Und obwohl das immer wieder Gegenstand von Diskussionen ist.... auch hier wird ihm klar vermittelt, dass er so, wie er ist super ist.

Trotzdem... oder vermutlich ist das von unserer bisherigen Erziehung/Begleitung auch völlig abgekoppelt .... unser Sohn orientiert sich neuerdings an dem ein oder anderen coolen Jungen aus seiner Klasse.
Er war stets einer, der sich mit anderen gut verstanden hat, lt. Lehrer ist er beliebt - Geburtstagseinladungen untermauern dies - er ist fixer Bestandteil eines Sportteams und hat von daher viel Erfahrung mit anderen Jungs in seinem Alter.

Wieso also plötzlich diese Anpassungsleistung?
Und noch viel wichtiger: wie gehen wir als Eltern damit um?

Dazu muss ich erklären, dass diese Anpassung, dieses cool sein wollen folgendermaßen ausgesehen hat:
Zu Besuch war der coole Junge.
Unser Sohn hat angefangen seine Sprache zu sprechen.
Er hat seine Körpersprache imitiert und ist beim Essen rübergekommen als wär er "James Lässig".
Ständig hat er irgendwelche Sprüche geklopft und dabei versucht witzig und cool zu sein.
Als ihm das nicht aufging, hat er mich vor seinem Freund angeschrien.

Ja, er war vielleicht ein bissl nervös, weil er ihm gefallen wollte.
Ja, er hat da was ausprobiert.
Und nein, man soll Kinder nicht vor ihren Freunden schimpfen, blossstellen oder ähnliches.

Und nein, ich lass mich nicht anschreien.
Und ja, ich sags, wenn er so komisch ist.
Ich sprech das an.
Klar, wars ihm peinlich.
Unangenehm.
Er ist gegangen und hat geweint.
Nicht gerade ideal gelaufen für ihn.
Seine Eltern - eine Wand. In diesem Punkt waren wir uns zu 100% einig.
Das Thema in der Situation für uns recht schnell wieder erledigt.

Interessant war dann der Abend, als wir ihm eine Reflexion angeboten haben.
Die er nehmen konnte und in der es erstaunlich gut möglich war mit ihm zu besprechen, was wir da gesehen haben (Körperhaltung, Spruch, Sprache).
Was wir gespürt haben (Versuch cool zu sein, gefallen zu wollen, Nervosität).
Wir (Eltern und Kind) haben einen Blick zurück in die Situation von Mittag geworfen.
Wir haben gemeinsam von oben draufgeschaut.
Ohne die Emotionen vom Mittagessen.
Die haben wir alle da schon rausgelassen und sie waren somit verpufft.

Mein Sohn hat dabei gut verstanden, worum es uns geht (bleib dir selber treu, sei wie du bist. Und wenn du was ausprobierst ist das für uns voll okay und diese und jene Grenze (z.B. anschreien) erlauben wir dir unter keinen Umständen (Freund auf Besuch) zu überschreiten) und man hat richtig gemerkt, wie etwas von ihm abgefallen ist.
Denn er hatte sich in dieser gewählten und versuchten Rolle ohnehin nicht wohlgefühlt.
Der Bursch, der da zu Besuch war, war übrigens überhaupt nicht "cool" sondern freundlich, höflich, nett. Ganz normal. So wie unser Sohn auch.

Ich bin zuversichtlich, dass es ihm das nächste Mal leichter fällt er selbst zu sein.
Ich wünsche es ihm, denn wie viele Erwachsene gibt es, die sich in der Arbeit, beim Sport, bei Freunden, in öffentlichen Begegnungen etc. verstellen. Eine Rolle spielen?
Die es als Befreiung erleben würden wenn sie sie selbst sein könnten UND TROTZDEM ODER GERADE DESHALB GEMOCHT WERDEN!!! :-) 

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